Wie wir verblöden, oder auch nicht - Extended Mind vs. Digitale Demenz
...achwas.fm - Die Geschichten hinter den Pixeln. - Un podcast de Prof. Dr. Thomas Wirth und Hans-Werner Klein
(S02E32) In der Neujahrsausgabe von achwas.fm sehen wir den Tatsachen nüchtern in Auge: Sofern wir nicht (a) von Asteroiden erschlagen oder (b) von Seuchen dahingerafft werden, sofern wir uns außerdem nicht (c) in selbstverschuldeten Kriegen selbst ausrotten, wird sich das Rad der Geschichte weiter drehen. Das bedeutet: Niemand wird die digitale Transformation rückgängig machen und ihre Folgen werden genauso sicher eintreten wie die des Klimawandels. Nimmt die Digitalisierung die Form von Navigationsgeräten, Vokabeltrainern, oder Nachbarschafts-Apps an, finden wir sie eigentlich auch ganz in Ordnung - ganz zu schweigen von Katzenvideos. Was aber, wenn die Menschheit intellektuell immer weniger gefordert wird, weil sie über immer intelligentere Werkzeuge verfügt? Zwei komplementäre Sichten auf diese Situation werden in dieser Folge von achwas.fm im Zentrum stehen. Die These der "Digitalen Demenz" behauptet Unerhörtes: Wir trainieren wegen der vielen digitalen Denk- und Gedächtnisprothesen unsere grauen Zellen nicht mehr, deshalb werden sie degenerieren. Am Ende werden wir als geistig verödete Wracks in einer Art Zombie-Apokalypse von hochintelligenten digitalen Helfern am Leben erhalten - bis diese anfangen darüber nachzudenken, was sie sonst noch so mit ihrer Zeit anfangen könnten. Gut, wir geben zu, das ist jetzt von uns etwas dramatisch ausgekleidet... aber irgendwie logisch. Die Extended Mind Theory sieht das anders: Systemtheoretisch bildet der Mensch zusammen mit seinen epistemischen (Wissen generierenden und verarbeitenden) Werkzeugen eine Einheit, ein "coupled system". Entwickeln sich die Werkzeuge nach vorne, entwickelt sich auch das System. Diese Sicht ist weniger pessimistisch, obwohl sie auch einen "Brain Drain" vorhersagt. In Anwesenheit eines Werkzeugs, z.B. einem Smartphone, müssen Menschen erfahrungsgemäß ihren Verstand weniger nutzen. Da sie das allgegenwärtige Smartphone unbewußt einkalkulieren, wenn es um Anstrengung und Aufmerksamkeit geht, erscheint ihre Leistungsfähigkeit reduziert. Das ist auch logisch. In der neuen Folge von achwas.fm erklären wir vor allem die Extended Mind Theory genauer und kümmern uns um die empirische Befundlage und denken wie immer darüber nach, was all dies zu bedeuten hat. Zum Blogbeitrag auf achwas.fm Zum Episodenbild: Wie immer können wir feststellen: irgendwie ist alles schon einmal da gewesen. Adam Ries (der sprichwörtliche "Adam Riese") war ein im 16. Jahrhundert lebender Mathematiker, Autor und Lehrer. Er arbeitete mit einer durchaus raffinierten Version eines "Extended Mind", nämlich einem Rechentisch. Damit konnte man nicht nur Addieren und Subtrahieren, sondern auch komplexere Operationen ausführen. Unser Episodenbild zeigt einen Ausschnitt des Titels seines Bestsellers "Rechnung auf der Linien und Federn - auff allerley Hantierung / gemacht durch Adam Risen" aus dem Jahr 1547. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fotothek_df_tg_0004386_Mathematik_%5E_Rechnen.jpg